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BürgerInnenwissenschaft (Citizen Science) Patriarchatsforschung

By 4. Juni 2021Februar 17th, 2023No Comments
Schamane oder Rentier-Geburt?

Bild: Schamane oder Rentiergeburt? „Hirschmensch“ aus der Grotte des Trois-Frères (Montesquieu-Avantès, Ariège, Frankreich) Quelle: Clottes, J y Lewis-Williams, Public domain, via Wikimedia Commons

Die Forschung durch Privatpersonen, die sog. BürgerInnenwissenschaft, ist der Ursprung der Wissenschaft und sie ist seit Gründung der Universitäten nie ganz von der Bildfläche verschwunden. Dafür wurde der Begriff der Citizen Science geprägt. Viele Privatgelehrte, die anerkanntermaßen manchmal mehr Wissen erworben haben als ProfessorInnen desselben Faches, haben die offizielle Wissenschaft beeinflusst, und gerade seit einigen Jahren gibt es unter WissenschaftlerInnen die Forderung, sie wieder stärker einzubeziehen. Als solche bin ich auch an die Freie Universität Berlin und an die Universität Marburg eingeladen worden, um über verschiedene Themen aus Sicht der Patriarchatsforschung zu sprechen und mich mit anderen ForscherInnen darüber auszutauschen. Meine kritische Analyse der Forschung am Massaker von Talheim zur angeblichen Patrilokalität der linearbandkeramischen Kultur führte zur Aufgabe des offiziellen Postulats der Patrilokalität und bewirkte einen Neustart der Forschung mit anderen Methoden, die bisher ebenso kein entsprechendes Ergebnis lieferten.

Die Patriarchatsforschung findet in der offiziellen Wissenschaft praktisch nicht statt, es gibt dafür keine Planstellen. Auch die Gender Studies, die die Frauenforschung heute abgelöst haben, thematisieren nicht die Entstehung des Patriarchats, sondern lediglich die Auswirkungen und die Frage, wie Frauen ins Patriarchat eingebunden oder daran beteiligt werden können.
Das ist nicht verwunderlich, denn das Patriarchat kann sich nicht ehrlich selbst erforschen, ohne zu dem Schluss zu kommen, dass es abgeschafft werden müsse, denn es beruht allein auf Gewalt und Glaubenssätzen und bedroht die Existenz des Lebens auf der Erde.

Ich gehöre keiner offiziellen Scientific community an, aber es gibt ein lockeres Netzwerk aus Gleichgesinnten, mit denen ich mich regelmäßig austausche. Dieser Austausch findet auf den privaten Kommunikationswegen statt und auch häufig in den Sozialen Netzwerken des Internet. Das sind fast immer Frauen jeden Alters, die ebenso inoffiziell unterwegs sind, und wenn es Männer sind, dann fast immer nur solche, die auf eine sehr lange Lebenserfahrung zurückblicken können. Einige sind Wissenschaftler, die auch einmal in Schlüsselpositionen und auf Lehrstühlen saßen. Sie alle verstehen sich als Suchende aber eben auch als Menschen, die gefunden haben. Einige sind einfache AkademikerInnen und viele sind einfach Menschen mit den ganz normalen kostbaren aber auch schrecklichen Erfahrungen des Lebens im Patriarchat.

Meine Patriarchatsforschung folgt dem deduktiven und dem empirisch induktiven Ansatz. Ich gehe davon aus, dass das Patriarchat ein unnatürliches System ist, da es der evolutionären Regel der sexuellen Selektion (Female choice) widerspricht und daher auch nirgendwo anders in der Tierwelt vorkommt. Matrifokalität ist unser angeborenes Sozialverhalten, wie es verschiedene Wissenschaftlerinnen vor mir bereits festgestellt haben. Ich möchte da insbesondere die Archäologin Marija Gimbutas und die Anthropologin Sarah Blaffer Hrdy nennen.
Die Beobachtung des Zeitgeschehens, des gesellschaftlichen Wandels, der Gesetzgebung, der Konflikte, der sozialen Unterschiede, der Umweltauswirkungen, der Forschungsgeschichte und der Menschen im Privatleben gehört untrennbar zur Patriarchatsforschung, denn es ist das Leid, das sie erst notwendig macht. Aus dem menschengemachten Leid kann auf das geschlossen werden, was nicht natürlich menschlich ist. Ich gehe dabei davon aus, dass unter gelebter Matrifokalität der Mensch zu maximal möglicher Zufriedenheit und damit auch Friedlichkeit kommt. Dies wird wiederum von der Beobachtung der matrifokalen Völker gestützt.

Ich bemühe mich, streng nach den Regeln wissenschaftlichen Arbeitens vorzugehen. Meine Texte sind akribisch recherchiert und basieren natürlich auch auf den Ergebnissen der offiziellen Forschung, die mit Methoden arbeitet, die ich nicht anwenden kann. Dazu gehören insbesondere auch die naturwissenschaftlichen Messverfahren der Genetik, der Anthropologie und der Klimatologie. Meine Vorgehensweise ist interdisziplinär, daher muss ich nicht nur viel lesen, es ist auch um so schwieriger, immer auf dem neuesten Stand zu bleiben. Dabei bin ich für die Mithilfe meines Netzwerkes sehr dankbar. Auch im Netzwerk gibt es ForscherInnen, die veröffentlichen und deren Standard einen ebenso hohen Anspruch hat. Wir ermuntern uns gegenseitig, Sachverhalte, bei denen wir eine Expertise erreicht haben, genauestens zu beschreiben und auszuformulieren, so dass wir uns gegenseitig zitieren können.

In dem Interview, das ich der französischen Archäologin Corinne Chatel gab, bezeichnete sie mich als Wissenschaftsaktivistin, was tatsächlich auch auf mich zutrifft. In den Augen mancher WissenschaftlerInnen disqualifiziert mich das, denn jeder Aktivismus sei unseriös und mache verdächtig, nicht mehr objektiv zu sein. So sagt ein Forst- und Bodenwissenschaftler auf die Frage, warum Forschende weniger bewegen als beispielsweise die „Fridays for Future-Bewegung“:

„Das liegt an einem grundsätzlich anderen Selbstverständnis. Karl Marx sagte, ‚die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verändern‘. Da spricht ein Aktivist – und eben kein Wissenschaftler.“

J. Schüring: Fünf Fragen an Reinhard Hüttl. In: Klartext 2019, Preis für Wissenschaftskommunikation. Klaus Tschira Stiftung GmbH, Heidelberg 2019, S. 42

Unabhängig davon, was andere aus seiner Lehre gemacht haben: wer will bestreiten, dass Karl Marx Wissen geschaffen hat, also Wissenschaftler war im besten Sinne des Wortes? Oder Charles Darwin, der die Evolutionswissenschaft überhaupt erst begründete, auch er ein Laie? Wer will bestreiten, dass jede/r WissenschaftlerIn auch Mensch ist und ihren/seinen Beruf aus persönlichem Interesse und innerem Antrieb ergriffen hat? Wer will bestreiten, dass wir Wissenschaft brauchen, damit sich in einer Welt voller verhängnisvoller Dogmen und Glaubenssätze etwas ändert? Wer will bestreiten, dass sich etwas ändern muss?
Eine dünkelhafte Wissenschaft muss sich den Vorwurf gefallen lassen, lediglich den Status quo zu verwalten, womöglich einen technokratischen Fortschrittsglauben zu verfolgen und nur dann und nur so lange zu forschen, wie das System nicht infrage gestellt wird. Insbesondere die offizielle Kulturanthropologie kann daher weder objektiv sein, noch brauchbare Ergebnisse erzielen, wird also ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht, und gereicht zum reinem Selbstzweck, zum Steckenpferd letztlich, das mit Steuergeldern bezahlt wird.

Da wir alle Menschen sind, ist Objektivität sowieso ein unerreichbares Ziel. Unsere Subjektivität entspringt unserem matrifokalen Wesen, das im Patriarchat jedoch bis zur Unkenntlichkeit verformt wird und uns erst zum Objekt macht. Unsere Moral und unsere Ethik beruhen auf urmenschlichem, egalitären Sozialverhalten, das im Widerstreit zum hierarchischen und von einer Diktatur der Ökonomie geprägten patriarchalen Denken steht. Die Logik des Patriarchats, ihre sog. Vernunft, zielt auf Gewinnmaximierung des Patriarchen ab, nicht aber auf ein gutes Leben aller. Das Verhältnis der Geschlechter wird entsprechend seit ca. 8.000 Jahren von sexistischen und rassistischen Zuchtgedanken gesteuert. Die Ratio der Evolution beruht dagegen auf dem Erhalt des Lebens und dem Schutz und der Freiheit derjenigen, die das Leben hervorbringen – das sind in erster Linie die Kinder und ihre Mütter. Aus der Beobachtung des Scheiterns dieser Polarität ergibt sich zwangsläufig die Patriarchatskritik. Patriarchatsforschung kann nicht ohne Patriarchatskritik betrieben werden.

Die Patriarchatsforschung wird von der Herrschenden Lehre meist abgelehnt und diskreditiert und neigt deshalb zum Aktivismus, u. a. um das von der Herrschenden Lehre selbst zutage beförderte Wissen, das in Schule und Medien wegen ihrer Brisanz unterdrückt wird, auch verbreiten zu können, dies in der gleichen Überzeugung, mit der auch die „Friday for Future“-Bewegung unterwegs ist, nämlich, dass es 5 vor 12 ist. Natürlich fürchtet das Patriarchat jede Aufklärung, und die pure Angst vor Machtverlust ist der Grund für den Dünkel der Patriarchen.
Der Dünkel der Herrschenden Lehrenden gegenüber den Aktivisten dürfte auch dem Neid entspringen, dass sich da Menschen etwas herausnehmen, was sie selbst nicht dürfen, weil sie nicht unabhängig sind. Aktivisten sind diejenigen, die sich aus dem Kollektiven Stockholm-Syndrom befreien.

PatriarchatsforscherInnen forschen und schreiben auf eigene Kosten und sind nicht organisiert, also unabhängig. Es gibt keine Sponsoren und keinen Maulkorb. Die Motivation ist allein das Leid, das zu ertragen nicht zumutbar ist, und dem wir auch nicht länger zusehen wollen.

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